Die Herausforderung im Wettbewerb
EDI im Handel und Einzelhandel
Im Bereich Handel läuft die Supply Chain in der Regel über eine ganze Anzahl von Zwischenstationen, so dass der automatisierte elektronische Datenaustausch in dieser Branche eine immer größer werdende Rolle spielt. Der Weg der Ware vom Produzenten bis in die Regale des Einzelhandels und zum Konsumenten ist lang; beim papierbasierten Belegaustausch sind Medienbrüche hier nahezu unvermeidlich, womit die Fehlerwahrscheinlichkeit steigt.
Nicht von ungefähr werden im Industriebereich Handel papierbasierte Prozesse seit mehr als 30 Jahren durch den digitalen Belegaustausch ersetzt. EDI entfaltet in dieser Branche durch schlankere Organisation in der Supply Chain und effizientere Prozesse mit sein größtes Einsparpotenzial.
Die Anforderungen an die Datenqualität der auszutauschenden EDI Belege ähneln für die betroffenen Lieferanten mittlerweile denen der Automobil-Zuliefererindustrie. In den Bewertungsprofilen im Rahmen einer Lieferantenevaluierung ist nicht nur die grundsätzliche EDI Fähigkeit von Belang, vielmehr wird die lieferantenseitige Fähigkeit vorausgesetzt, ganze Prozessketten EDI-seitig zu unterstützen. Die inselartige Unterstützung lediglich einzelner Geschäftsprozesse reicht schon längst nicht mehr aus, um einen fehlerfreien Fluss der Geschäftsdaten zu gewährleisten.
Ein gutes Beispiel bietet hier das Vorgehen von Amazon: Amazon hat frühzeitig damit begonnen, EDI als strategisches Mittel und Kernstück einer holistischen Lieferantenintegration zu definieren. Die Prozesskette aus ORDERS (Bestellung), ORDRSP (Bestellbestätigung), DESADV (Liefermeldung) und INVOIC (Rechnung) wird als essentieller EDI-Vierklang betrachtet. Lieferanten von Amazon tun gut daran, diese vollumfänglich zu unterstützen.
Zwar wird momentan auch der Prozess PRICAT (Artikelstammdaten) von Amazon nachgefragt, der Fokus liegt jedoch eindeutig auf dem digitalen Akkord der genannten vier Geschäftsprozesse. Dabei gibt es ein interessantes Phänomen zu beobachten: Viele Lieferanten berichten, dass sich das Ranking innerhalb der Amazon Suchergebnisse deutlich verbessert, wenn alle vier EDI-Geschäftsprozesse digital via EDI unterstützt werden. Da Amazon für viele Firmen ein wichtiger Umsatzgarant ist, bietet dieses Szenario ein gutes Vorbild für die Schaffung eines Anreizes zur Realisierung des digitalen Belegaustauschs abseits klassischer Malus-Systeme.
PRICAT: Preisliste/Katalog
SLSRPT: Verkaufsdatenbericht
INVRPT: Lagerstandsbericht
ORDERS: Bestellung
ORDRSP: Auftragsbestätigung
DESADV: Lieferavis
RECADV: Wareneingangsmeldung
INVOIC: Rechnung
REMADV: Zahlungsavis
Die kundenseitig vordefinierten EDI-Übertragungsinhalte sowie die damit verbundene Herausforderung, eine qualitativ hochwertige Semantik in eine kontinuierliche Gewährleistung zu überführen, gehört momentan zu den größten Herausforderungen an ein modernes EDI-System. Gerade Neueinsteiger im EDI-Umfeld müssen schnell die Erfahrung machen, dass die Fehlertoleranz auf Seiten des Handelspartners eher kleiner als null ist. Die der eigentlichen Belegverarbeitung vorangestellten Validierungssysteme beschränken sich nicht nur auf die formattechnische Prüfung einer korrekten EDI- bzw. EDIFACT-Syntax, vielmehr werden die digitalen Belege durch oftmals hochkomplexe automatische Validierungsmechanismen auf semantischer Ebene seziert, wobei jedweder inhaltliche Fehler eine Ablehnung des Einzelbelegs oder im ungünstigsten Fall die Zurückweisung aller beinhalteten Dokumente eines Sammelbelegs verursacht (vgl. Edeka Rundungs-Problematik o.ä.).
Aus strategischer Sicht sollte das jeweilig eingesetzte ERP das führende System sein, gewissermaßen als Sammelbecken der kundenspezifischen Kompetenz. Im Idealfall gibt das ERP die Daten so aus, dass durch das EDI-Subsystem „nur“ noch die Konvertierung in die unterschiedlichen Partnerformate erfolgen muss. In der Praxis ist das leider wenig realitätsnah. Zudem widerspricht es dem Gedanken, ERP-seitig eine einheitliche globale Schnittstelle je Geschäftsprozess zu führen. Ein intelligentes EDI System muss also de facto in der Lage sein, die partnerspezifischen Besonderheiten bei Bedarf zu konsolidieren und die geforderten EDI Inhalte im Extremfall auch zu generieren. Dabei spielt neben der korrekten Semantik auch die Logik der EDI Belege eine zentrale Rolle (z.B. partnerspezifische Darstellung der Verpackungsmittel etc.).